Warum kostet Freiwilligenarbeit Geld?

von Judith Liehr

Etwas Gutes tun und dafür noch Geld bezahlen? Immer wieder werden wir gefragt, warum das so ist...

Vorausschicken möchte ich an dieser Stelle, dass wir hier nicht von professioneller Entwicklungshilfe oder Freiwilligendiensten sprechen, die staatlich/kirchlich gefördert bzw. organisiert werden. Durch die Teilnahme an einem Freiwilligenprogramm, wie Kulturist sie anbietet, tragen Sie dennoch zur Verbesserung der Lebensumstände bzw. zum Natur- und Umwelt vor Ort bei. Es handelt sich hier stets um sehr lernintensive Erfahrungen und interkulturelle Begegnungen, durch die Sie ganz sicher auch sehr viel über sich selbst erfahren.

Um etwas wirklich zu verstehen ist es oft hilfreich, einen Sachverhalt von einer anderen Perspektive aus zu betrachten. Das möchte ich nun hier mit der Entstehung eines fiktiven Projektes tun:

Aus Interesse entsteht ein Projekt

Seit einigen Jahren werden bei uns in Hessen wieder Luchse gesichtet (an Alle, die es interessiert – das ist wirklich so, siehe hier). Ich finde das sehr interessant, beschäftige mich mit dem Thema und recherchiere.  Ich möchte sicherstellen, dass die Tiere hier weiter und in friedlicher Ko-Existenz mit Menschen und Haustieren leben können. Ich gründe deswegen, zusammen mit Gleichgesinnten, einen Verein (Arbeitskreis, Interessengemeinschaft oder eben Projekt) „Rettet den Luchs in Hessen“. Das Ganze spricht sich herum und irgendwann wird der hessische Luchs sicherlich auch Gegenstand einer wissenschaftlichen Untersuchung – schon haben wir unsere Experten. Zeit geht ins Land, unser Projekt erweckt immer mehr Interesse, zunächst auf regionaler, dann auf nationaler Ebene und eines Tages erhalte ich die erste Email aus dem Ausland: Man interessiere sich sehr für den Hessischen Luchs, wolle hierher kommen, eine Weile in Hessen leben und uns bei unserer Arbeit unterstützen.

Gehobene Arme von Freiwilligen, die helfen wollen

Freiwilliges Engagement zieht weitere Kreise

Super – denke ich, genau das, was wir brauchen – mehr freiwillige Helfer! Aber wohin mit den Freiwilligen? Sie müssen doch untergebracht und verpflegt werden. Sie müssen am Frankfurter Flughafen abgeholt werden – natürlich wollen sie alle zu unterschiedlichen Zeiten kommen und wieder gehen. Sie müssen entsprechende Visa haben. Ich spreche weder Portugiesisch, noch Finnisch oder Russisch – und sie schreiben mir, sie hätten bestenfalls rudimentäre Deutsch-Kenntnisse. Viele von ihnen würden während ihrer Zeit hier gerne noch einen Deutsch-Kurs machen und etwa 95% von ihnen haben noch nie in ihrem Leben einen Luchs gesehen, d.h. sie müssen eine entsprechende Einweisung erhalten. Vor meinem geistigen Auge tauchen plötzliche viele „€€€" auf.....Freiwilligenarbeit kostet also Geld und bis auf ein paar kleine Spenden aus den umliegenden Gemeinden haben wir keins!

Darum kostet weiteres Engagement Geld!

Um unser tolles Projekt langfristig und nachhaltig weiterbringen zu können, müssen wir also anfangen, in anderen Dimensionen zu denken. Wir werden Partner in den Herkunftsländern unserer Freiwilligen brauchen um sicherzustellen, dass wir kontinuierlich Helfer haben werden. Diese Helfer müssen gefunden werden – es muss sie jemand überprüfen und sie auf ihren Aufenthalt bei uns vorbereiten. Die Menschen müssen über die Gegebenheiten bei uns in Hessen informiert werden und es muss sichergestellt werden, dass sie beispielweise gegen Tetanus geimpft sind und bei Einreise das richtige Visum haben.

Auf unserer Seite hat bislang niemand die Zeit dazu, nebenbei geeignete Gastfamilien für die engagierten Helfer zu suchen. Wer soll für Unterkunft und Verpflegung bezahlen? Wer die Menschen vom Flughafen abholen und zurückbringen bzw. täglich zu unseren Luchsstationen fahren? Wo gibt es brauchbare Sprachkurse, wie sollen sie dorthin kommen? Wer finanziert unsere Experten, die die Studie erstellt haben und die die Freiwilligen einweisen sollten? Wie sollen wir überhaupt mit ihnen kommunizieren?

All das ist nur die Spitze des Eisbergs – aber Sie sehen schon, dass es nicht so ganz einfach ist und Sie können sicher erkennen, dass Sie nicht für den freiwilligen Einsatz bezahlen, sondern für die gesamte Organisation des Rahmens darum herum. Die Projektträger vor Ort können sich keine zusätzlichen finanziellen Belastungen leisten, die durch den Einsatz von Freiwilligen aber in der Tat entstehen. Hätten sie weitere Mittel zur Verfügung, würden sie Einheimische zur Unterstützung einstellen – so aber freut man sich über die tatkräftige Mithilfe aus den Reihen der Gemeinschaft der internationalen Freiwilligen. Durch Ihre Teilnahme an einem solchen Programm unterstützen Sie nicht nur gemeinnützige Projekte im jeweiligen Land, sondern Sie tragen zwangsläufig auch zum Einkommen der Familien und lokalen Geschäfte bei.

Geben und Nehmen

Zurück

Hinterlassen Sie eine Nachricht

  • Au-Pair des Jahres 2013
  • Au-Pair des Jahres 2014
  • Au-Pair des Jahres 2016
  • Au-Pair des Jahres 2017
  • Au-pair Society e.V. Trusted Member
  • International Au Pair Association (IAPA)
  • WYSE Travel Confederation