Reisebericht aus Indien

von Judith Liehr

Eine Hochzeit aus Tausendundeiner Nacht und Freiwilligenarbeit in Indien – ein Bericht unserer Kollegin Sinidu Tsegaye.

Liebe Leser,

ich bin nun seit über drei Jahren bei Kulturist tätig und ich freue mich immer, wenn ich mit neuen Kulturen in Berührung komme - sei es durch unsere regelmäßigen Au-Pair-Treffen oder durch Reisen, um unsere Partner und ihre Projekte im Ausland zu besuchen. Ich bin unter anderem für die Betreuung der Au-Pairs zuständig, die durch Kulturist nach Deutschland vermittelt werden. So lerne ich junge Menschen aus verschiedenen Ländern kennen, die mich immer wieder Neues über ihre Länder und deren Sitten lehren. Als ich vor einigen Wochen eine Hochzeitseinladung aus Indien erhielt, habe ich keine Sekunde gezögert, zuzusagen. Die Gelegenheit wollte ich auch nutzen, um unsere Partner in Jaipur zu treffen und die Freiwilligenprojekte zu besuchen. So ging es also am 7. November nach Delhi.

Ankunft in Delhi

Indien ist ein Schwellenland und wer dieses vielfältige Land zu bereisen plant, sollte eine Vorstellung darüber haben, was ihn erwartet. Das Land, mit über 1,2 Milliarden Einwohnern, ist neun Mal so groß wie Deutschland und für seine kulturelle Vielfalt bekannt.

Bereits bei der Ankunft wird man mit überwältigen Eindrücken überschüttet. Die bunten Kleider der Frauen, die mit frischen Blumen geschmückten Tuk Tuks, die abenteuerlichen Autofahrten auf den überfüllten Straßen, die Gastfreundlichkeit der Einwohner, die sichtbare Kluft zwischen arm und reich – all dies erinnert ständig daran, dass man sich fern von zuhause befindet und nun in ein neues, kulturelles Erlebnis eintaucht.

Sinidus Ankunft am Flughafen in Neu-Delhi

Ein gelbes Tuk-tuk nach Ankunft in Neu Delhi

Die Mehrheit der Menschen dort spricht Englisch, da die Sprache nach wie vor in den Schulen gelehrt wird. Daher ist nur ein wenig Englisch notwendig, um sich in Indien zurecht zu finden. Die Menschen habe ich als sehr hilfsbereit, höflich und sehr offen kennengelernt.

Städte wie Delhi sind nicht die richtigen Destinationen, um einen ruhigen Urlaub zu verbringen. Abenteuer sind stets an der Tagesordnung, denn in dieser Stadt begegnet man vielem, das dem Europäer völlig unbekannt ist. Autohupen, deren Funktion zwei bis drei mal in der Minute geprüft wird, Motorradfahrer, die oft mit drei bis vier Passagieren unterwegs sind, Tuk Tuks, die überall unerwartet halten, um ihre Fahrgäste zu verabschieden, die Menschenmenge, die sich mit den Kraftwagen vermischt... all dies zusammen ergibt eine sehr interessante Komposition von Klängen und Bildern. Die Fahrkunst der Einheimischen gehört ebenfalls zu den „Sehenswürdigkeiten“ Delhis, denen sich weder Fahrer, Beifahrer noch der Fußgänger sich entziehen können. Es sieht nämlich so aus, als würde es auf den Straßen keine Regeln geben. Straßenschilder, gekennzeichneten Fahrspuren, und sämtliche Ampeln werden ignoriert. Man hat das Gefühl, dass die Autos immer dort fahren wo es am schnellsten voran geht, selbst wenn es auf der Gegenfahrbahn ist. Hier ist also Vorsicht geboten. Wer diesem Abendteuer entgehen möchte, hat auch die Möglichkeit, die Metro zu nutzen. Die Metro fährt recht häufig und ist ein sicheres und günstiges Fortbewegungsmittel.

Trompeter in Indien

Freiwilligenprojekte in Jaipur

Nach fünf Tagen in Delhi, bin ich nach Jaipur aufgebrochen. Jaipur liegt etwa 300 Kilometer südwestlich von Delhi und ist ein Kulturzentrum mit einer Universität, Theatern, Kinos, Museen, Zoo und Kunstdenkmälern. Die Stadt ist ein Verkehrsknotenpunkt von Straße, Eisenbahn, Flughafen. Auch hier ist die Kluft zwischen arm und reich deutlich sichtbar. Die Slums befinden sich an vielen Ecken der Stadt. Die Einrichtungen, in denen unsere Freiwilligen arbeiten, sind ebenfalls in den Slum-Viertel zu finden. Die Räumlichkeiten sind sehr schlicht, es werden pro Einrichtung ca. zehn Kinder unterrichtet. Die Kinder sind sehr aufgeweckt und neugierig. Die meisten kommen aus Familien, in denen Analphabetismus überwiegt. Diese Einrichtungen geben den Kindern die Möglichkeit, Schulbildung als Bestandteil ihrer Zukunft in Betracht zuziehen. Eine weitere Aufgabe der Freiwilligen ist es, die Eltern über die Wichtigkeit bzw. Notwendigkeit von informeller Bildung aufzuklären. Teilweise nutzen auch einige Mütter das Angebot der Einrichtungen, um im Erwachsenenalter ihre ‚versäumte’ Bildung nachzuholen.

Ein suesser Junge

Am Tag der Kinder haben die Freiwilligen Kekse verteilt

Die Volontäre, die aus allen Ecken dieser Welt stammen, bewohnen gemeinsam ein großes Haus. Obwohl sie an verschiedenen Projekten teilnehmen, werden die Mahlzeiten immer zusammen eingenommen. Für das Essen sorgt eine Dame mit ihrer Gehilfin. Pünktlich steht das Essen im Esszimmer des Hauses bereit, wo alle Freiwillige zusammenkommen. Dieses Beisammensein ist die beste Gelegenheit, sich kennenzulernen und sich auszutauschen. Die Wochenenden werden oft dazu genutzt, gemeinsame Ausflüge zu machen wie zum Beispiel nach Agra oder Mumbai. Ich durfte an dem Tag gemeinsam mit den Freiwilligen essen und sie berichteten mir über ihren Aufenthalt in Jaipur. Alle waren überrascht, dass es auch in Jaipur sehr kalt werden kann und waren verärgert, dass sie keine Jacken im Gepäck hatten. Ich habe auch mitbekommen, dass es am frühen Morgen und am Abend recht frisch sein kann. Es empfiehlt sich also, eine Übergangsjacke mitzunehmen. Natürlich war Sicherheit eins die wichtigsten Themen, welches wir am Tisch diskutiert haben. Die Mädchen haben mich versichert, dass sie sich noch zu keinem Zeitpunkt unsicher gefüllt haben und dass die Bewohner sehr offen gegenüber Fremden sind.

Eine Kindertagesstätte in Indien

Sinidu trifft sich mit unserem Partner in Indien

Eine Hochzeit aus Tausendundeiner Nacht

Zur Krönung meines Aufenthaltes durfte ich an einer indischen Hochzeit teilnehmen, die, wie dort üblich, mehrere Tage andauerte. Am ersten Tag fand ein Henna-Abend im Haus des Bräutigams statt, an dem die Frauen die Hände mit Henna angemalt haben und wo sehr viel getanzt wurde. Am zweiten Abend fand die Verlobung statt. Die Ringe wurden ausgetauscht und es wurde wieder, bis in die frühen Morgenstunden, getanzt, gegessen und getrunken. Die eigentliche Hochzeit fand am dritten Tag unter freiem Himmel statt. Hierfür wurde ein großes Zelt aufgestellt, das uns an Geschichten aus Tausendundeiner Nacht erinnerte. Die Frauen in ihren bunten und reich verzierten Saris, die Männer in ihren eleganten Kurtas, die farbenfrohe Dekoration, die Musik – man verliert sich ein wenig und ich musste mich immer wieder daran erinnern, dass ich nicht träume.

Gemalte Hände vom Hanna Abend

Da war ziemlich viel rot!

Natürlich sind zwei Wochen zu kurz, um ein Land kennenzulernen. Dennoch haben mich das Land und die Menschen so verzaubert, dass ein Teil von mir dort geblieben ist. Wie Herrmann Hesse einst sagte ‚Wer einmal nicht nur mit den Augen, sondern mit der Seele in Indien gewesen ist, dem bleibt es ein Heimwehland.’ Ich kann es kaum erwarten, das Land und meine neu gewonnenen Freunde wieder zu besuchen.

Ein schöner Abschluss...

- Sinidu Tsegaye

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