Kostenlose Au-Pair-Vermittlung über ein Portal oder lieber eine professionelle Agentur einschalten?

von Judith Liehr

Wie sieht die Kosten-Nutzen Rechnung für Sie tatsächlich aus? Ist es wirklich sinnvoll, einen Au-Pair-Aufenthalt über das Internet selbst zu organisieren und welche Risiken gehen Sie dabei ein?

Ich möchte etwas zu einem Thema beitragen, das mich persönlich sehr bewegt und das immer wieder auftaucht, im Internet, den Printmedien, oder auch bei uns im Büro am Telefon. Es mag sein, dass es abgegriffen erscheint bzw. dass schon viel darüber geschrieben wurde – in jedem Fall aber handelt es sich um eine Thematik die mir aus verschiedenerlei Gründen sehr am Herzen liegt, nämlich die vermeintlich kostenlose Au-Pair-Vermittlung über ein Au-Pair-Portal, d.h. ohne Einschaltung einer Agentur.

Ja – es ist richtig, dass es, zumindest in vielen Ländern, sehr wohl möglich ist, den Au-Pair-Aufenthalt auf eigene Faust zu organisieren.

Im Folgenden geht es darum, was Au-Pair-Portale und ihre scheinbar kostenlosen Au-Pair-Vermittlungen bieten – und was sie eben nicht bieten wollen bzw. können. Es geht außerdem darum, welche Folgen das unter Umständen für Sie haben kann, sofern Sie planen, einen Auslandsaufenthalt als Au-Pair auf diese Weise zu organisieren.

Was die Au-Pair-Portale gerne verschweigen

Sowohl im Rahmen meiner Tätigkeit für den Deutschen Bundesverband der Au-Pair-Vermittler, als auch bei Kulturist erhalte ich beinahe täglich Anrufe von Au-Pairs (und auch immer wieder von Gastfamilien), die mir abenteuerlichste, oder besser gesagt eher traurige, Geschichten erzählen. Ebenso melden sich immer wieder besorgte Eltern von zukünftigen Au-Pairs, oder, schlimmer noch, Au-Pairs, die ohne Agentur im Ausland sind oder waren und die dort in Situationen geraten waren, in denen sie eigentlich kompetente Hilfe benötigt hätten.

In Ländern wie den USA, oder auch unserem Nachbarland den Niederlanden, ist eine Au-Pair-Vermittlung ohne Einschaltung einer qualifizierten Agentur nicht legal. Dafür gibt es gute Gründe. Im Vordergrund steht selbstverständlich immer die Sicherheit allen Programmteilnehmer – sowohl die der Au-Pairs, als auch die der Gastfamilien. Zwar werben Au-Pair-Portale, wie z.B. Au-Pair-World gerne damit, man würde die eingestellten Profile prüfen bzw. löschen und ergreife auch „weitere Maßnahmen“ um Qualität und Verlässlichkeit zu sichern – allein daran darf man allerdings getrost erhebliche und begründete Zweifel haben. So frage ich mich, wie es möglich ist, dass gerade jetzt, zu dem Zeitpunkt, an dem ich diese Zeilen schreibe, dort rund 200 Familien aus den USA direkt ein Au-Pair suchen. Dies vor dem Hintergrund, dass eine legale Beschäftigung als Au-Pair dort definitiv nur über eine der 14 zugelassenen Agenturen möglich ist. Einen Hinweis darauf findet man allerdings auch, wenn man gezielt weitersucht – was allerdings nicht erwähnt wird ist die Tatsache, dass diese Agenturen wiederum eine Partneragentur vor Ort (also in Deutschland, wie Kulturist) haben müssen. Eine Direktvermittlung in die USA ist also in der Tat unmöglich. Der Presse entnehme ich weiterhin, dass „sich bis heute etwa 1,3 Millionen Nutzer dort registriert haben und täglich rund 700 Nutzer“ auf diesem Au-Pair-Portal hinzukommen und dass sich dort derzeit 24 Mitarbeiter um die Webseite, Emails und telefonische Anfragen kümmern – qualitätssichernde Maßnahmen scheinen mir vor diesem Hintergrund nahezu unmöglich.

Alle Fälle, die ich nun anführen werde, haben sich tatsächlich so zugetragen. Die betroffenen Au-Pairs, oder auch deren Eltern haben sich bei mir gemeldet und im Hilfe bzw. Rat nachgesucht. Andere Fälle sind mir durch meine Tätigkeit für den Bundesverband bekannt.

Was alles schief gehen kann

Relativ harmlos ist es noch, wenn Au-Pairs als günstige Haushaltshilfe missbraucht werden – wobei auch das ausarten kann, wie der Fall einer jungen Dame zeigte, die mir erzählte, was sie in Neuseeland erlebt habe. Die erste Gastfamilie, zu der sie, ohne Agentur, sondern über ein kostenloses Au-Pair-Portal, ging, habe in einem Haus mit kahlen Wänden, ohne wirklichen Fußbodenbelag, dafür aber mit Ameisen und anderem Ungeziefer, gelebt. Bilder des Hauses habe man ihr vor der Abreise nicht geschickt, da das Haus gerade renoviert werde. Später gaben die Gasteltern zu, dies habe man bewusst nicht getan, weil sie ja sonst sicher nicht gekommen wäre. Nach etwa sechs Wochen habe sie dann die Familie gewechselt. In der zweiten Gastfamilie habe sie das kleinere der beiden Kinder jeden Tag, vollständig allein von 7 Uhr morgens bis 8 Uhr abends betreuen müssen, was ihr dann doch zu viel gewesen sei. Die dritte Familie war eine Dame, die vier Pflegekinder hatte, aber einen sehr netten Eindruck gemacht habe. Nachdem sie in diese Familie gewechselt habe, sei ihr erst klar geworden, dass die Dame gar nicht mit im Haus wohnte, sondern sie, zusammen mit einem anderen Au-Pair diese Kinder ganz alleine betreuen sollte. An dieser Stelle habe sie dann aufgegeben und sei wieder nach Hause geflogen.

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Oder die 19-Jährige, welche statt des geplanten halben Jahres, nur knapp fünf Wochen in Spanien bleiben konnte. Auch sie hatte ihre Gastfamilie selbst gefunden. Das kleine Mädchen, welches sie betreute, besuchte eine deutsche Schule – beide Eltern waren berufstätig. Die Arbeitszeit dieses Au-Pairs betrug häufig bis zu 13 Stunden am Tag und das die Familie eher ländlich wohnte, konnte sie auch keinen Sprachkurs besuchen. Die Gasteltern waren aber, sofern sie anwesend waren sehr nett zu ihr. Allerdings hat man ihr nach rund vier Wochen mit einer Frist von zwei Tagen, in denen sie den Heimflug buchen sollte, gekündigt. Als Grund wurde angegeben, man habe sich nun anders organisiert.

Nicht ungewöhnlich ist es auch, dass sich die versprochene Stadt, als ein abgelegenes Dorf irgendwo im Großraum herausstellt, wie im Falle eines Mädchens aus Frankfurt, welches sich an mich wandte. Sie war eigentlich der Meinung, ihre Gastfamilie wohne in Lille – tatsächlich aber handelte es sich um ein Dorf, welches etwa 40 Kilometer entfernt lag und von wo der Überlandbus nur einmal pro Stunde zur Metrostation in Richtung Stadt fährt.

Wirklich schlimm aber sind andere Geschichten: So kennen wir Fälle, in denen potentiellen Au-Pairs über Au-Pair-Portale eine Gastfamilie in den USA gesucht haben. Sie erhielten dann über Facebook Nachrichten von angeblichen Gastfamilien, die ihnen Gehälter von über 1.000 Dollar/monatlich plus dem üblichen wöchentlichen Taschengeld anboten. Wer aber ohne ein entsprechendes Visum (und das gibt es nur, wenn man über eine in den USA zugelassene Agentur geht!) in die USA einreist, wird ganz sicher große Schwierigkeiten bekommen.

Eine Familie aus der Türkei hatte über eine Internet-Anzeige ein Au-Pair aus Deutschland eingeladen und dieses Mädchen dann später grundlos des Diebstahls bezichtigt und angezeigt. Wie sich herausstellte, war dem Vorgänger-Au-Pair das Gleiche geschehen. Die junge Dame saß wochenlang dort fest und durfte das Land nicht verlassen. Die entsprechende, nett gemachte Anzeige hat sie hier in dem gleichen Portal wieder neu gefunden.

Oder aber die angeblichen gut betuchten Gastfamilien mit riesigen Häusern, Pool und eigenem Auto für das Au-Pair, die darum bitten, die Reise über eine bestimmte Reiseagentur zu buchen und dort am besten Vorkasse zu leisten. Sie können davon ausgehen, dass niemand, der versucht hat, auf diese Weise seinen Auslandsaufenthalt anzutreten, jemals wieder etwas von einer dieser Familien gehört hat!

Ich könnte noch etliche andere, mehr oder minder spektakuläre Fälle hier auflisten – das würde aber vermutlich den Rahmen dieses Blogs sprengen und die Geduld meiner Leser(innen) auf eine zu harte Probe stellen. Wichtig finde ich, dass Sie wissen, worauf Sie sich einlassen, wenn Sie sich auf diese „preisgünstige“ oder gar kostenlose Vermittlung solcher Au-Pair-Portale verlassen.

Investieren Sie an der richtigen Stelle - Sie sind es wert!

Wann immer mich Anrufe erreichen und enttäuschte Au-Pairs mir ihre Geschichten erzählen, möchte ich eigentlich gerne fragen: War es das wert?

Was genau aber haben Sie dabei gewonnen? Speziell die Au-Pair-Programme innerhalb Europas sind derzeit, vor allem in Deutschland, extrem günstig (nämlich i.d.R. für knapp unter 200 Euro) zu haben. Das ist, in Anbetracht dessen, was man im Gegenzug von einer qualifizierten Agentur erhält, in der Tat nicht viel!

Oder liegt es daran, dass Ihnen der Aufwand eine qualifizierte Bewerbung zu erstellen zu hoch erscheint? An dieser Stelle sollten Sie bedenken, dass die Vermittlung bei qualifizierten Au-Pair-Agenturen prinzipiell Partner im Ausland erfolgt, die ebenso hohe Qualitätsansprüche haben und die sicher sein möchten, dass Ihre Bewerbung ebenso sorgfältig erstellt wurde, wie auf der anderen Seite die Familienprofile, die Ihnen später vorgelegt werden. Die allermeisten von Ihnen werden im Laufe Ihres Lebens noch die eine oder andere Bewerbung schreiben, warum also nicht direkt, und unter Anleitung Ihrer Agentur, damit anfangen und auch hier Routine erwerben?

Abschließend möchte ich an dieser Stelle noch einmal nachdrücklich an Sie alle dahingehend appellieren, hier nicht an der falschen Stelle zu sparen. Vertrauen Sie auf die professionelle Beratung und Vermittlung einer qualifizierten Agentur. Sie minimieren so deutlich das Risiko Enttäuschungen zu erleben und haben während der gesamten Zeit Ihres Au-Pair-Aufenthaltes einen Partner vor Ort, der Ihnen im Fall der Fälle sicherlich gerne zur Seite steht. Sollten Sie sich auch nicht für Kulturist als Agentur für Ihre Auslandserfahrung entscheiden, so wenden Sie sich zumindest an eine Mitgliedsagentur des Bundesverbandes.

Untenstehenden Brief haben wir von einer jungen Dame erhalten, die ihre erste Auslandserfahrung über ein Au-Pair-Portal gemacht hat. Kim stellt dieses Schreiben alldenjenigen, die einen Au-Pair-Aufenthalt planen Ihre kurze Zusammenfassung gerne zur Verfügung, weil sie hofft, so dazu beitragen zu können, zukünftigen Au-Pairs unnötige Enttäuschungen zu ersparen:files/content/Blog/schlechte-erfahrung-au-pair-world.jpg

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